Reisebericht 2003
Reports on a journey 2003
Bariloche
Als wir in Bariloche eintrafen schlugen wir gleich unser Zelt bei Melinas Vater Jack im Garten auf. Jack hat ein Haus 15 km von Bariloche entfernt in der Nähe des Lago Gutiérres. Im Haus lebten außerdem: Mariza ( Jacks Freundin aus Buenos Aires ) und die Kinder der beiden: Melina und Paula, Ezequiel und Lara, Franco und Franzisco
- was für ein Haus! Sechs fantastische Kinder, ein Künstler und eine Pianistin - wir fühlten uns sehr wohl bei der Familie und bleiben fünf tolle Tage.
Die Highlights: Ein Familienausflug auf einen nahegelegenen Berg mit Seilbahn und Aussicht auf den Nahuel Huapi See - ein Blick den weder Worte noch Fotos fassen. Danach wurde DAS Luxushotel Argentiniens besichtigt: Llao Llao. Wir wanderten mit unseren staubigen Füssen durch die heiligen Vorhallen des Hotels und beschlossen doch lieber bei Mariza und Jack zu wohnen. Dort gab es am letzten Abend noch ein
Klavierkonzert von Mariza für uns und wir wurden bezaubert von Piazolla und Bach.
Am 10.01.03 hieß es Abschied nehmen und Willkommen heißen. Nach 20 Stunden stolperte sie aus dem Bus und jetzt isse da... die Ruth. Noch am selben Tag wurde ein Fahrrad ausgesucht und inzwischen hat die Ruth auf fast jedem Kontinent ein Fahrrad - eins wartet noch in Neuseeland von ihrer letzten 11-monatigen Reise dort.
( Für alle die Ruth nicht kennen: Ruth war Anjas Studienkollegin und WG - Chefin in der wilden Studentenzeit in Görlitz, jetzt ist sie Neuseelandexpertin und eigentlich auf dem Weg in eben dieses Land zurück. Für die nächsten Wochen legt sie hier einen "Zwischenstop" ein, um mit uns durch Patagonien zu radeln.
Wir sind dankbar für ihren Gastkommentar, den ihr auch auf diesen
Seiten findet.
Wir freuen uns auf diesen Seiten den 1. Gastkommentar von Ruth Fuchs zu veröffentlichen:
Wo die Traurigkeit weit fort gegangen ist...
Nach vier Monaten "Zwangspause", Weihnachten und Sylvester in der Heimat, sitze ich endlich wieder im Fahrradsattel. Diesmal an einem anderen Ende der Welt - im windigen Patagonien / Argentinien / Südamerika.
Ich mache hier einen Zwischenstop auf dem Weg nach Neuseeland, um Anja und Daniel, Freunde aus Dresden, die seit 16 Monaten durch die Welt radeln, zu besuchen. Südamerika liegt ja sozusagen auf der Strecke nach Neuseeland, ob ich über Asien oder über Amerika fliege, macht entfernungstechnisch keinen Unterschied.
Während in London noch das Eis von der Startbahn gekratzt werden musste, habe ich mir in Buenos Aires gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand weggeholt. Aaahh, endlich Sommer und warm!! Ich hatte mir von zu Hause aus eine Servas Übernachtung organisiert, konnte so zwei schöne Tage in der Capital Federal verbringen und bin fleißig Pflaster getreten.
Dann habe ich den von Anja reservierten Bus nach San Carlos de Bariloche genommen ( ich bin noch nie so komfortabel Bus gefahren ), dort war ich mit Anja und Dani verabredet. Noch am selben Tag haben wir für mich ein Fahrrad und Zubehör ausgesucht, es am nächsten Tag mit Rückkaufgarantie erworben und einen Tag später radelten wir los in Richtung Feuerland.
Der Radelalltag mit den beiden unterscheidet sich doch erheblich zu meinem Tagesablauf in Neuseeland. Wir machen zwar dieselben Dinge, allerdings mit völlig anderen Gewichtungen. Das sieht in etwa so aus, dass wir zwischen 8 und 9 Uhr aufstehen, eine Stunde einpacken, eine Stunde Frühstück, noch eine Stunde packen. Dann ist es Mittag, wir fahren endlich los, aber Danis Magen fängt schon wieder
an zu knurren.
Also machen wir nach 5 bis 10 km erst mal eine zweistündige Mittagspause. Da wird der Kocher ausgepackt und Wasser für einen Mate und evtl. ein heißes Süppchen gekocht. Wir müssen Dani, den Quatschkäfer, mehrfach ans Essen erinnern, sonst würde er sich hungrig erzählen. So gegen vier fahren wir weiter und damit wir
überhaupt noch ein Stück vorwärts kommen, wird bis 20 Uhr geradelt. Es ist ja lange hell! Zelt aufbauen, einrichten, kochen und essen dauert seine drei Stunden, es wird ruck zuck um elf. Dann trinken wir noch ein, zwei Gläschen Wein und kommen wieder erst Mitternacht ins Bett. Am nächsten Morgen stehen wir nicht vor um acht auf...
Auf diese Art und Weise haben wir für die letzten und für mich ersten 400 km elf Tage gebraucht. Frei nach dem Motto: Langsam reisen ist eine Kunst, schnell reisen kann jeder!
Oder auch: 10 x 15 km sind auch 150 km und fahren oder nicht macht 300...
Danis Buschcamping Spürnase habe ich sehr schnell zu schätzen gelernt. Er findet für uns nicht nur schöne Plätze, im Idealfall am Fluss oder See und mit Aussicht, es ist auch wesentlich ruhiger und sicherer als auf den Campingplatz ( wie wir in Bariloche erfahren durften ). Bei gelegentlicher Wasserknappheit wird sogar die Waschlappendusche mit kaltem Wasser oder ein erfrischendes Bad im See zum Luxus. Am 12.1. war ich anbaden im Lago Gutierrez, da haben selbst Anja und Dani gekniffen!
Auch wenn es mit meinem Spanisch nicht weit her ist, so erweist sich Michas Latinoküchenmusik als gute Einführung. Los Fabulosos Cadillacs laufen ständig irgendwo, das ist eine der beliebtesten argentinischen Bands! Da kann ich Eindruck schinden, wenn ich die Songs erkenne.
Ab heute zu dritt
Abenteuerlich beginnt die Reise zu dritt noch vor dem Start. Auf einem kleinen Zeltplatz am Lago Gutiérrez wurden uns nachts die gerade erst aus Deutschland mitgebrachten Reifen geklaut. Carloz, der Campingplatzwart, zog mit seiner Machete los und erkämpfte einen Teil der entwendeten Sachen von ein paar Wildcampern
in der Nahe zurück.
Nach langwierigem Hin und Her bei dem selbst die Polizei nichts ausrichten konnte ( erst mussten die Beamten von der Polizeistation abgeholt werden, weil sie gerade kein eigenes Auto hatten, dann erklärten sie, sie könnten auch nichts ausrichten, die Diebe wären 20 Leute, sie seien nur zwei... und überhaupt, die meisten Sachen
hätten wir doch zurück... oder?)
Das kostete Nerven und Zeit. Abends zogen wir schließlich los und eroberten das fehlende Diebesgut auch noch zurück. Das war überraschend einfach und so hatten wir am Ende alles wieder beisammen und diese Lektion gratis dazu: Pass auf deine
Sachen auf und wenn du Hilfe brauchst, gehe nie zur Polizei! Viva Argentina!
Von Bariloche aus fuhren wir über El Bolson durch den Nationalpark Los Alerces ( die Alerce ist eine Zypressenart mit hervorragendem Bauholz - inzwischen unter Schutz gestellt, denn es gibt nur noch wenige Exemplare ).
Wir besuchten René am Lago Lezama und den Rio Arrayanes, trafen am Lago Futalaufquen Claudia und Tilmann aus Stuttgart, die Südamerika in ihrem Mercedesbus bereisen und die wir schon am Titicacasee getroffen hatten. Wir teilten einen Abend mit Feuer und vielen Geschichten und fuhren am nächsten Tag nach Esquel. Und hier sind wir nun. Und damit auch am Ende dieses Berichtes. Lieber Leser Du hast es fast geschafft!
Nur noch eines: falls du glaubst wir haben es hier immer schön warm und sonnig:
El Niño herrscht. Das Wetterphänomen, dass alle Jubeljahre hier einbricht und die Jahreszeiten auf den Kopf stellt.
In Australien donnert die Hitze und Buschbrände wüten. Dadurch heizt sich der Südpazifik auf und es verdunstet mehr Wasser als normal. Dadurch entstehen mehr Wolken, die sich über Chile abregnen und Kälte bringen. Die Argentinier sagen: "die Chilenen kochen schlecht", da der kalte Wind dicke schwarze Wolken und Nieselregen
über die Andenkette schiebt. So heißt es nun für uns überlegen, ob wir überhaupt nach Chile fahren sollen oder lieber auf der trockeneren argentinischen Seite bleiben in diesem außergewöhnlich kalten windigen Sommer. Sei es wie es sei: Patagonien wir sind da!
Aus dem Reisetagebuch von Daniel und Anja:
Freitag, 17. Januar "Donde la tristeza su fue lejos."
Bereits seit Marocco träumt Anja davon, in Argentinien zu WWOOFen. Sie hatte von ihrer englischen Mitradlerin Susan eine australische World Wide Wwoof Liste bekommen und die einzige argentinische Adresse darin war die Farm "Los Guanacos" von Rene Griffith am Lago Lezama in Patagonien. Da wurde unlimited horse riding and fishing versprochen. Das klang vielversprechend und da wollten wir hin.
WWOOF bedeutet Willing Workers On Organic Farms, wo man für vier Stunden Arbeit am Tag freie Kost und Logis bekommt.
"Wir sind wieder erst Mittags auf der Piste. Wir werden es wohl nie schaffen. Vor 12 Uhr kommen wir einfach nichts los. Gemütlich frühstücken und schwatzen - da bleibt der Radfahrerehrgeiz lieber gleich im Schlafsack und pennt noch ne Runde..."
Dani murrt, er will lieber weiterradeln. Außerdem ist die Wwoof Liste schon ein paar Jahre alt, wir wissen also nicht, ob die Adresse noch stimmt. Aber Anja und ich wollen zumindest mal gucken und wir machen uns auf, die Farm zu suchen. Rene hat es später Schicksal genannt. Manche Begegnungen müssen sein.
Die Frau im Dorfkonsum beschreibt uns den Weg und wir schinden und schieben 5 km Schotterpiste über einen Hügel zum Lago Lezama. Die Landschaft ist herrlich, wild und einsam, wir haben schönes Wetter. Der See ist eigentlich eine Lagune, umgeben von schneebedeckten Bergen.
Auf dem Weg kommt uns ein berittener älterer Herr entgegen, der auf unsere Anfrage, ob es auf der Farm Arbeit gegen Kost und Logis gäbe, vor Lachen fast vom Pferd fällt.
Endlich kommt das "Haus" in Sicht. Dani wartet an den Rädern, Anja und ich sondieren die Lage. Eine kleine Holzhütte steht, Rene kommt etwas verpennt heraus und lacht, als er erfährt, warum wir kommen. Vor fünf Jahren ist zum letzten Mal jemand da gewesen und wwoofen kann man bei ihm schon lange nicht mehr. Er lädt uns zum Kaffee ein und wir holen Dani nach. Rene erzählt, wie er vor Jahren versucht hat, eine Guanaco Zucht aufzubauen, und wie die Sache mit den Wwoofern schief gegangen war. Er erzählt von seinem walisischen Urgroßvater, von seinen Reisen in aller Welt, dass er Schauspieler und Musiker ist. Die Farm ist sein Ausstieg und er lebt hier unter einfachsten Bedingungen. Anja entdeckt die Gitarre und Rene singt für uns. Schließlich lädt er uns ein, zu bleiben und zu zelten. Daniel begräbt seinen Radlerehrgeiz endgültig für heute und Rene zeigt uns das "Heidenröslein" vor sich hin summend eine Stelle für die Zelte. Ringsum wächst Pfefferminze, in der Nähe plätschert die Quelle. Dani besorgt Wein im Dorf, wir nehmen ein Bad im See und
abends sitzen wir lange in der Hütte am Kaminfeuer. Rene und Anja singen im Wechsel, es ist alles wie im Märchen!
Denkt dran liebe Freunde:
Auch der Alltag hat seine Farben - alle Schattierungen von Grau!
Seid lieb gegrüßt von Ruth, Daniel und Anja!
Mitte Mai verließen wir Buenos Aires und finden uns nun, genau zwei Monate später in Rio de Janeiro wieder. Dazwischen liegen 2000 Radkilometer und 1000 per Bus. Und sonst? Also:
Über den Rio de la Plata setzten wir von Buenos Aires nach Colonia in Uruguay über, das wir schon von einem früheren Ausflug her kannten. Also konnten wir uns touristische Erkundungen in dem alten portugiesischen Schmuggelhafen sparen und gleich durchstarten, um durch die Hügellandschaft Uruguays weiter nach Norden zu gelangen.
Wind und Regen waren unsere ständigen Begleiter, so dass Uruguay uns vor allem feucht in Erinnerung ist. Uns erfreuten ruhige kleine Straßen und Dörfer und freundlich zurückhaltende Leute, die uns gern halfen, wie z. B. Hugo, der uns in einer Gewitternacht seine Scheune überließ und uns damit wahrlich einen großen Gefallen tat:
Es war wirklich eine Weltuntergangsnacht: grollender Donner, taghelle Blitze, Regen wie aus Eimern prasselt aufs Blechdach. Die Scheune ist ziemlich muffig, Schaffelle, Tierfutter, eine Schlachtbank. Eine Katze mit drei Beinen leistet uns Gesellschaft und draußen quieken Schweine. Vor der Scheune hängt ein Riesenstück Fleisch im Baum und auf dem Zaun ein Stück weiter liegen zwei Rinderfüße...
Für ein trockenes Plätzchen muss man als Radfahrer schon einiges in Kauf nehmen...
Schon nach zwei Wochen verließen wir Uruguay und den Regen und überquerten bei Salto die Grenze nach Argentinien. Hier landeten wir auf der Routa 14, eine der meist frequentierten Strassen Argentiniens, auf der sich die riesigen LKWs von und nach Brasilien drängeln. Der Rückspiegel wurde unser bester Freund, auch wenn die Brummifahrer meistens gnädig Abstand hielten. Dennoch hatten wir nach 350 km und 4 Tagen keinen Bedarf mehr an Autobahn und überlegten in Paso de los Libres, wie wir mit einem dieser LKWs mitkommen.
An einer Tankstelle spricht uns Roberto, einer dieser Brummifahrer an: "Woher und Wohin? - nach Iguazú? Da fahr ich jetzt hin!" Eine halbe Stunde später sitzen wir in seinem LKW, der 22 Tonnen Knoblauch aus Chile nach Saõ Paulo bringt, gemeinsam mit seiner Frau Angelika, der kleinen schlafenden Tochter und ein paar Büchsen Bier als Proviant. Die Räder reisen oben auf dem LKW aufgeschnallt mit. So geht es durch die Nacht nach Misiones - unserer letzten Provinz in Argentinien.
Tropisch warm ist es ( endlich ) in Misiones, am Straßenrand wachsen Palmen und Bananenpflanzen, leider auch eine Menge Pinienwald, der zwar Geldquelle für die Einheimischen und trockenes Radlerbuschcamp ist, aber auch eine Menge ursprünglicher Regenwaldvegetation verdrängt hat.
Früh morgens, eine Stunde vor Sonnenaufgang lässt uns Roberto an einer Tankstelle bei Santa Ana raus und rattert gen Brasilien ( mit einem geplatzten Reifen ). Mit Kaffee und Croissants erwarten wir die Sonne und starten beim ersten Licht nach San Ignacio.
Dort haben die Jesuiten vor 400 Jahren eine Missionsstadt errichten lassen, um die Guarani - Ureinwohner zum christlichen Glauben zu bekehren. Dabei entstand ein Dorf mit zahlreichen Wohnhäusern, Werkstätten, einer Schule und einer Sandsteinkirche im "Guarani - Barock", deren Ruinen heute zu besichtigen sind.
Hügel auf, Hügel ab pedalten wir uns nach Wanda, wo die schönsten Amethyste der Welt herkommen sollen. Prächtig und funkelnd sind die kostbaren Steine im Fels verborgen und werden hier neben Achat und Bergkristall in zahlreichen Minen ( von denen wir eine besuchten ) ans Tageslicht befördert.
Am 6. Juni machen wir uns auf zur Garganta del Diablo - der Teufelsgurgel, einem Teil der gigantischen Wasserfälle des Iguazú. Im südlichen Brasilien fließt der Iguazú - Fluss über ein Basaltplateau, das kurz oberhalb vom Zusammenfluss mit dem Rio Paraná endet. Wo die Lava aufhört stürzen mindestens 5000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde 70 Meter tief hinab. Bevor der Fluss den Rand des Wasserfalls erreicht, teilt er sich in mehrere Kanäle und bildet die typischen Cataratas. Umgeben sind die Fälle von einem 55.000 ha großen Nationalpark mit tropischem Regenwald, der Lebensraum für unzählige Insektenarten, Vögel, Säugetiere und Reptilien ist.
Hiermit verlassen wir Argentinien in Liebe zu diesem wunderschönen Land und in Zuneigung zu den wunderbaren Menschen, denen wir hier begegneten. Von Jujuy bis Feuerland, von Bariloche bis Buenos Aires sind uns Fremde hier zu Freunden geworden und haben dazu beigetragen, dass Argentinien uns immer in ganz besonderer Erinnerung bleiben wird - wie eine Tangomelodie in den Gassen von San Telmo...
Foz do Iguaçu, die Stadt auf der brasilianischen Seite des Flusses hat nicht allzu viel zu bieten und so radeln wir alsbald auf der BR 277 Richtung Curitiba. Hügeliges tropisches Hinterland, kleine Nester an stark befahrener Autobahn. LKWs nerven. Nach 300 km steigen wir um auf den Bus und düsen nach Curitiba.
Von dort fährt die Eisenbahn nach Paranaguá - laut Reiseführer die spektakulärste Bahnfahrt in ganz Brasilien! Rumpelnd und ratternd setzt sich der Zug pünktlich 8 Uhr in Bewegung und rollt durch die üppig grüne Vegetation des Küstengebirges. Über Brücken und durch Tunnel schlängelt sich der Zug immer am Berghang entlang bis wir schließlich 4 Stunden später in der kleinen Stadt Paranaguá unweit vom Meer landen.
Weil´s so schön war unternehmen wir am nächsten Tag gleich noch einmal die Fahrt vom Küstengebirge hinab ( und wieder hinauf! ), diesmal per Fahrrad und über die La Graciosa, eine kleine Kopfsteinpflasterstrasse, die früher als Verbindungsweg zwischen Küste und Hochland diente.
Ein Sprung per Bus erspart uns wieder mal die Autobahn und bringt uns nach Santos, wo wir nachts 23 Uhr bei strömendem Regen ankommen und die Nacht im runden Bett eines etwas zwielichtigen Hotels verbringen.
Von nun an geht es per Rad 700 km der "grünen Küste" ( Costa Verde ) folgend nach Norden gen Rio de Janeiro. Highlights der Strecke sind Paraty - ein herrliches Kolonialstädtchen mit portugiesischen Villen, Kirchen und Kopfsteinpflastergassen - und die Ilha Grande ( „große Insel“ ). Auf der Ilha Grande verbringen wir 4 wunderschöne Tage, genießen atemberaubenden Ausblicke auf die Berge und Buchten ringsum, baden an herrlich gelegenen Stränden und entdecken auf unseren Streifzügen durch den Regenwald, der die gesamte Insel bedeckt, seinen Klang und Duft und Frieden.
Wir verlassen die Insel und müssen uns nun sputen, denn es fehlen noch 140 km bis Rio und dort haben wir eine Verabredung zum Frühstück! Am 15. Juli treffen Anjas Eltern ein! MORGEN!!! Ach Quatsch in 6 Stunden! Also schnell ins Bett und mehr davon in der nächsten Reisegeschichte.
Adeus! Bis bald. Daniel und Anja.
Niemand nimmt gern Abschied, der einmal hier gewesen. Bei jedem Fortreisen und von jedem Ort wünscht man sich zurück. Schönheit ist selten und vollendete beinahe ein Traum. Diese Stadt macht ihn wahr auch in düstersten Stunden; es gibt keine tröstlichere auf Erden.
(Stefan Zweig über Rio)
Geliebte Freunde und Familie!
Auch wir mussten gestern von der Traumstadt Abschied nehmen und gingen ein wenig wehmütig, denn wir hatten eine gute Zeit hier, haben interessante Menschen kennen gelernt, haben Horst und Christine ( Anjas Eltern ) hier nach über einem Jahr in die Arme geschlossen, haben mit Holger und Motte zwei lustige Tage verbracht und am Ende unseren Frieden mit dieser wilden, heißen ( in jeder Hinsicht! ), hektischen und stolzen Metropole gemacht.
Rio ist unheimlich schön gelegen, aber die sozialen Probleme sind extrem - die meiste Fläche der Stadt ist mit Favela ( Armenviertel ) bedeckt und der Kontrast zwischen Arm und Reich ist beängstigend - vom Ferrari zur Favela - es ist alles drin. Der blanke Luxus und die nackte Armut treffen hier brutal aber irgendwie auch interessant zusammen.
Rio hat auch interessante Sehenswürdigkeiten, das mit Abstand Schönste sind natürlich die Ausblicke, die sich manchmal überraschend und plötzlich von vielen Stellen in der Stadt aus bieten. Aber auch an historischen Gebäuden und Plätzen gibt es einiges, auch wenn man sich mit einer Kamera bestückt und mit heller Gringohaut nicht immer ganz wohl fühlt und auch nicht unbedingt ALLE Gegenden der Stadt besuchen sollte....
Im letzten Monat verbrachten wir also zwei Wochen gemeinsam mit Anjas Eltern - wundervoll war das, nach so langer Zeit wieder gemeinsam zu sitzen und zu hören was zu Hause so passiert... Wir verbrachten 5 Tage in Rio und erholten uns dann noch 6 Tage auf einer edlen Ferienhalbinsel mit traumhaften Stränden gemütlicher Atmosphäre, wobei der Caipirinha ( auch liebevoll "Caipi" genannt ) in Strömen floss und die Eltern uns mit Luxusleben verwöhnten.
Aber erbarmungslos verrann die Zeit und so hieß es Abschied nehmen und weiter ziehen - beschwingt und reich durch die schöne gemeinsame Zeit traten wir wieder unser Fahrradnomadenleben an.
Langsamkeit war geboten, denn allzu weit von Rio durften wir uns nicht entfernen, da wir hier ja 20 Tage später den Holger abholen wollten, der uns bis zum 3. Oktober begleiten wird.
Also pedalten wir bis nach Vitoria ( eine große Hafenstadt ) ließen die Räder dort stehen und unternehmen noch einen kleinen Ausflug nach Petrópolis, sommerliche Residenz des brasilianischen Kaisers und Stefan Zweigs letzter Lebensort. Wir sahen sowohl den kaiserlichen Palast als auch das bescheidene Haus des Schriftstellers und verließen das geruhsame Städtchen mit angenehm kühlem Klima und inmitten von grünwogenden Bergen, um uns wieder in die Hände der Stadt zu begeben die sich mal als gefährliche Furie und das nächste Mal als verführerische Schönheit zeigt.
Und auch wir verließen sie mit einem Stich im Herzen und können nicht versprechen, nie wieder zu kommen....
Seid gegrüßt zu Hause und in der Welt und bis zum nächsten Mal.
Daniel und Anja.